links-lang fetzt!

too sexy for the Volksempfänger

Statement der Antifa Rostock zum Konzert der Berliner Electropopband Mia in der Scandlines Arena

13.01.2005

Aufruf der Antifa Rostock
Aufruf der Antifa Rostock, pdf-Datei, 262 KB
es ist was es ist sagt die Liebe. Das Gedicht ist von Erich Fried, doch nun singt die Berliner Electropop Band darüber. Was es ist. Aus einem Liebesgedicht wurde ein Popsong, so weit so unspektakulär - scheinbar. Denn die Liebe der Band Mia gilt nicht irgendwem. Die Liebe, welche sie des Morgens zwischen Kaffee und Küssen finden, ist die Liebe zu Deutschland. Und dieses Deutschland, das sie lieben, liebt den Frieden. Sie erzählen von einem Land, in dem sich alles wandelt, das weltoffen und tolerant ist. Die Band will keine Last mehr, die sie beengt, will neue Spuren in weißen Sand machen. Das Beengt-Sein, das nicht deutsch sein dürfen, welches sie beklagen, spürten vor ihnen bereits andere. Schon Martin Walser inszenierte sich 1998 in der Frankfurter Paulskirche als Tabubrecher. Mit seiner Forderung, ungeniert stolz auf sein Vaterland sein zu dürfen, ohne ständig an Auschwitz erinnert zu werden, war er nur einer von vielen.

Mit der Zuwendung zur Nation verändern sich Aussage und Wesen von Popkultur. Deren bisheriges Anliegen, ein universelles Glücksversprechen, wird ersetzt durch die Liebe zur Nation. Während Pop sich durch das Versprechen universellen Glücks für das Individuum bisher gegen irrationale Zwangskollektive richtete, heißt es nun Einreihen, Aufgehen und Wohlfühlen im Volk. Die Nationalisierung der Popkultur bedeutet den Verlust des auflösenden Moments, welches der Hedonismus potentiell enthielt. Dieses besteht genau darin, sich nicht um das Kollektiv zu kümmern, sondern um den eigenen Lustgewinn. Pop ist nun allerdings nicht mehr Gegenkultur, sondern gleicht sich dem gesellschaftlichen Mainstream an, oder kurz: Mia wandern aus einer linken Subkultur in die Mitte der Gesellschaft.

Mit der Mitte in die Zukunft

Der Entwurf vom weltoffenen friedlichen Deutschland, mit welchem die Band Mia in die Öffentlichkeit gegangen ist, passt genau in die Zeit; er spiegelt den Geist der Berliner Republik wieder. Diese rühmt sich, die Geschichte bewältigt zu haben, und betreibt mit einer neuen Selbstverständlichkeit internationale Großmachtpolitik. Dazu eignet sie sich den Zivilisationsbruch der Shoa an, indem sie ihn für bewältigt erklärt und zur Legitimation des Krieges in Jugoslawien benutzte. Dieses neue Deutschland führte den Krieg nicht trotz, sondern wegen Auschwitz. Die Bundesregierung hatte dagegen die große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, als sie sich nicht an der Entmachtung eines Diktators im Irak beteiligte. Lieber bediente sie die antiamerikanischen Ressentiments der Deutschen, die diesen Krieg ablehnten, weil es ein Krieg war, den die USA führten.

Liebe, Frieden und Amerikahass

"Was es ist" ist Teil des Projektes "Angefangen", einer Kampagne des Künstlerkollektivs und Labels r.o.t. (respect or tolerate). Die Idee dazu kam einem Freund der Band Mia, als er Anfang 2003 in Argentinien freundlich begrüßt wurde, weil er Deutscher ist und die Deutschen bekanntlich alle gegen den Irakkrieg sind. Mia ließen sich nach eigenen Aussagen davon beflügeln und fanden selbst, dass es nun Zeit sei, wieder selbstbewusst deutsch zu sein. Schließlich habe sich ja einiges gewandelt und die überwiegende Mehrheit der Deutschen ist friedlich, tolerant und weltoffen.

Während Mia den Schulterschluss der Popkultur mit dem gesellschaftlichen Mainstream praktizieren, treten auch andere Akteure auf den Plan. Mit einer Mischung aus standortnationalistischem Kalkül und kulturkämpferischen Abwehrkampf angloamerikanischer Einflüsse verlangt die Initiative "In eigener Sache" die Quotierung nationaler Popkultur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese Forderungen wurden anders als in der Vergangenheit nicht von Künstlern und Pop-Linken abgewehrt. Vielmehr gehen die Regierungsparteien auf dieses Ansinnen ein und planen per Gesetz eine Quotierung deutscher Musik im öffentlich rechtlichen Rundfunk.

Es bleibt was es ist...

Am deutlichsten wird der nationale Rollback allerdings am Beispiel des Techno-DJs Paul van Dyk, der zusammen mit Peter Heppner von der Band Wolfsheim ungebrochenem Nationalismus huldigt. Mit ihrem Lied "Wir sind Wir" tragen sie ihren eigenen Teil zur Nationalisierung im Pop bei. Dies geschieht in deutlichem Unterschied zu Mia's "Cool Germania", das für einen neuen, aufgeklärten und dabei vermeintlich friedlichen und weltoffenen deutschen Nationalismus stehen will. Für Heppner und van Dyk dagegen gibt es kein Auschwitz und keinen deutschen Vernichtungskrieg. Sie begreifen die Geschichte als ein Schicksal, dass den Deutschen widerfahren ist. Sie sind besiegt worden, haben sich aufgerappelt und aus Asche Gold gemacht, sind nach 40 Jahren wieder vereint und wollten doch viel mehr. Die Geschichte wird als eine Geschichte deutscher Opfer und Entbehrungen auf dem Weg nach oben erzählt. Die Deutschen lassen sich nicht unterkriegen - "So schnell geben wir nicht auf", singt Peter Heppner abschließend.

...nationalistische Scheiße

Die Geschichte wird abgehakt und unverkrampft neues deutsches Land betreten - Mia machen den Soundtrack zu den frischen Spuren im weißen Sand. "Cool Germania" setzt laut den Initiatioren der Aktion "Angefangen" "auf Liebe, Respekt, Toleranz" mit anderen Religionen und Kulturen gegen den "Informationsüberfluss unserer überladenen westlichen Welt, der Ungleichverteilung, der Rücksichtslosigkeiten und [des] Eigennutz[es]". In der Ablehnung des Westens, der Verteidigung ursprünglicher Kultur und des Rechtes auf Differenz erweisen sich diese scheinbar hippen und modernen Vertreter der nationalen Sache als zutiefst deutsch.

mia stinkt :: no love for the nation :: deutschland in die tonne kloppen