links-lang fetzt!

Wenn mit dem Märtyrer die Wahrheit geopfert wird

Der Verehrung des Nazis Horst Wessels widerspricht den sonst so deutschen Tugenden der rechten Szene

24.02.2003

Sonderbare Vorbilder haben sie. Es reicht nicht, dass Neonazis nichts besseres zu tun haben, als zu allen erdenklichen Möglichkeiten aus der deutschen Tätergemeinschaft des Dritten Reiches eine Opferherde zu machen. Zu Horst Wessels Todestag am 23. Februar wurden nun in Ostvorpommern und Uecker-Randow Flugblätter und Aufkleber der neonazistischen "Pommerschen Aktionsfront" verteilt. Mit der Erinnerung an den erschossenen SA-Führer haben sich die Neonazis jedochen einen zwielichtigen Märtyrer ausgesucht.

Der 1903 geborene Bielefelder begann 1926 zeitgleich mit seinem drei Jahre später abgebrochenen Jura-Studium in Berlin eine NSDAP-Karriere. Er wurde erfolgreicher SA-Führer in der kommunistischen Hochburg Friedrichshain, so dass Joseph Goebells auf ihn aufmerksam wurde und förderte. Aber nicht lange, denn das kriminelle Milieu, in dem Wessel sich herumtrieb, sollte ihm zum Verhängnis werden. Er wurde erschossen, als Motiv des Täters wird ein Beziehungszwist, aber auch eine Mietzwistigkeit angegeben, während der sich vielleicht zufällig ein Schuß löste. Pikant ist, dass Wessels Leben vielleicht hätte gerettet werden können, hätten seine Kameraden nicht die Behandlung durch einen eintreffenden Arzt verweigert, wie dieser jüdisch war. Ein späterer "arischer" Arzt konnte nichts mehr retten, Horst Wessel starb sechs Wochen später im Alter von 22 Jahren an einer Blutvergiftung.

Das kam den Nazis gerade recht. Da der Täter Kommunist war, konnten sie aus dem Toten einen weiteren Märtyrer der "Bewegung" machen. Ein paar Verse von ihm wurden zum Horst-Wessel-Lied, der späteren zweiten Nationalhymne, erhoben und aus Berlin-Friedrichshain wurde "Horst-Wessel-Stadt".

Angesichts der um Moralvorstellungen der rechten Szene, die in Form der deutschen Tugenden hochgehalten werden, verwundert eine Verehrung der Person Horst Wessels. Unwissen der rechten Kader dürfte es nicht sein, was sie historische Tatsachen außen vor lassen läßt. Also scheint es, als würde in ihrem "Kampf für Deutschland" einmal mehr eben auch die Wahrheit geopfert.

Links

Flugblätter und Aufkleber zu Horst Wessel aufgetaucht - Pressemeldungen vom 24.02.2003
http://www.links-lang.de/presse/595.php

Plakataktionen zum "Horst-Wessel-Gedenken" in Ostvorpommern - 1. Quartalsbericht 2001 des Verfassungsschutzes MV
http://www.verfassungsschutz-mv.de/pages/quabe0101.htm

Neonazis gedenken 2002 in MV Horst Wessel - links-lang.de, 01.03.2002
http://www.links-lang.de/0302/01.php

Horst Wessel - Informationen beim Informationsdienst gegen Rechtsextremismus
http://www.idgr.de/lexikon/stich/h/h.html#horst-wessel

Der tote Körper des Sturmführers - Geschichte und Gegenwart Horst Wessels - FAZ, 07.04.2001, bei satt.org
http://www.satt.org/gesellschaft/01_04_wessel_1.html