links-lang fetzt!

Event statt Auseinandersetzung

Die Entscheidung, die Wehrmachtsausstellung nicht auf Rügen stattfinden zu lassen, dürfte den meisten Einwohnern der Insel entgegenkommen

20.02.2003

Da wird sich aber jemand freuen. Die Wehrmachtsausstellung wird nicht in Prora gezeigt werden. Das veranstaltende Hamburger Institut für Sozialforschung hat der Stiftung "Neue Kultur" mitgeteilt, keine Vertragsverhandlungen mit ihr aufzunehmen. Damit wird die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 - 1944" definitiv nicht im ehemaligen Kraft-durch-Freude-Bad Prora gezeigt werden, wie die Initiative "Pro Ausstellung" mitteilte.

Das kommt einigen Einwohnern der Insel sehr gelegen. Im Dezember sprach die Binzer Gemeindevertretung ihr Unbehagen im Zusammenhang mit der Ausstellung aus. Auch Gewerbetreibende der Region fürchteten angesichts heraufbeschworener rechter Krawalle um das Image der Region. Erfahrungen aus anderen Städten, in denen sich die gesamte lokale Öffentlichkeit gegen rechtsradikale Demonstrationen und für die Wehrmachtsausstellung ausgesprochen hat, blieben unberücksichtigt. Und legen nahe, dass andere Interessen dem Einsatz gegen die Ausstellung zugrunde lagen.

Die historische Auseinandersetzung...

Die Mitglieder des Vereins "Prora03" sind mit die entschiedensten Gegner der Ausstellung, erwähnt der Journalist Klaus Ch. Kufner. Der Verein will in dem KdF-Bad "Prora03" stattfinden lassen, eine Veranstaltung, zu der mehr als 15 000 Jugendliche erwartet werden. In ihrem Rahmen soll eine andere Auseinandersetzung mit dem Ort der NS-Geschichte mit Lagerfeuern, Graffiti und sogar einer "Prora-Hymne" stattfinden. Eine unverfänglichere und zugleich fatalere Auseinandersetzung: Das KdF-Bad wird somit nicht als ein Teil des nationalsozialistischen Gesellschaftsbildes dargestellt, in dem jegliches soziale Leben unter Kontrolle des Staates stand, sondern ein "Monument" der deutschen Geschichte. Das heute wieder unreflektiert genutzt werden kann.

Die Wehrmachtsausstellung, so der Gedankengang, stört in dieser Aufarbeitung. Sie würde nicht nur die Rolle der Armee in der NS-Mordmaschinerie deutlich machen. Gleichzeitig würde die Ausstellung auch die Einbindung der Wehrmacht in das nationalsozialistische Gesellschaftsmodell aufzeigen. So, wie die Wehrmacht zum NS-Ideal hinarbeitete, tat es auch die KdF-Organisation. Zusammenhänge aus der deutschen Geschichte, die die Veranstalter von "Prora03" scheinbar Jugendlichen heutzutage nicht zumuten wollen.

...und die logistische

Fast schon zynisch klingt die Tatsache, dass es gerade die vom Landkreis angeregte Idee der Verknüpfung der Wehrmachtsausstellung mit "Prora03" war, die die Stiftung "Neue Kultur" die Planung für die Ausstellung von 2002 auf dieses Jahr verschieben ließ, wie es Klaus Ch. Kufner in einem offenen Brief mitteilt. Nun wird von den Gegnern der Ausstellung argumentiert, beide Veranstaltungen seien logistisch nicht miteinander vereinbar.

Damit scheint es klar, dass die Wehrmachtsausstellung statt in Prora in Peenemünde auf Usedom gezeigt wird. Das neonazistische "Freie Infotelefon", das sich auf die Hetze gegen die Ausstellung und ihre Macher eingeschossen hat, mobilisiert bereits zu einer Demonstration am 02. August des Jahres. Bereitwillige Unterstützung dürften die Hamburger Neonazis von ihren Usedomer und Anklamer Kameraden erhalten, die ihre Ablehnung historischer Tatsachen in ihren Publikationen und Aktionen zur Schau tragen. Nun hat die Öffentlichkeit Usedoms die Möglichkeit, ihren kritischen Umgang mit der deutschen Geschichte und dem gegenwärtigen rechten Ungeist zu beweisen. Die Einwohner Rügens haben in der Mehrheit gezeigt, dass sie dazu nicht in der Lage sind.

Links

Rügener wollen Wehrmachtsaustellung aus Angst vor Neonazis nicht - links-lang.de, 20.12.2002
http://www.links-lang.de/1202/06.php

Pressemitteilung zur Absage des Instituts für Sozialforschung an die Stiftung "Neue Kultur"
http://de.geocities.com/wehrmachtsausstellung_ruegen/

Offener Brief an die Landrätin von Rügen
http://www.links-lang.de/0203/brief.php

Reemtsma zeigt Rügen den Rücken - Absage der Wehrmachtsausstellung Ergebnis von politischem Taktieren, gegenseitigen Schuldzuweisungen und Dilettantismus
http://www.links-lang.de/presse/596.php