links-lang fetzt!

20.12.2002
Überfremdung durch Überfrachtung und Null Bock auf Menschenrechte in Ostvorpommern!


Folgende Presseerklärung wurde von Nico Lamprecht, Anklamer Stadtvertreter und PDS-Kreisvorstandsmitglied, zu der Diskussion um ein einzurichtendes Flüchtlingsheim in Anklam herausgegeben.

Rassistische Hetze hört man genügend - am Arbeitsplatz, in Wirtshäusern und manchmal auch in Sitzungssälen. Erschreckend dabei ist, dass sich besonders die selbsternannten Demokraten in der Pflicht sehen für Recht und Sicherheit ihre Stimme zu erheben.

Es sei mir in diesem Fall nachzusehen, dass ich mich erst heute zu Wort melde. Der Donnerstag, der Tag der Stadtverordnetenversammlung steckt mir noch tief in den Gliedern. Ich bin entsetzt, wie Menschen über Menschen reden. Es erschreckt mich einfach - es macht mich schlichtweg traurig.

Ein rassistischer Grundkonsens scheint bei vielen Kommunalpolitikern gang und gäbe zu sein. Ich möchte hier nur an Ducherow erinnern. So schreibt das "Antifaschistische Infoblatt" in der Ausgabe 56 in bezug auf Ducherow: "eine unheilige Allianz aus rassistischen Bürgermob, um ihre Posten und Wahlchancen fürchtenden Kommunalpolitikern und Neonazis". Ja, manche "Demokraten" lernen von Ducherow - ein schönes Modell, welches man ebenso gut in Anklam verwirklichen kann. In eben dieser Bürgerversammlung in Ducherow sahen sich die 500 anwesenden Einwohner "Schafe reißenden" Asylbewerbern ausgesetzt, die neben den Bewohnern eines Behindertenheims eine weitere "Belastung" für das Dorf seien. Die aggressive und haßerfüllte Stimmung entlud sich, laut Angabe mehrerer Anwesender, in rassistischen Zwischenrufen. Anwesende Neonazis mussten angesichts der Äußerungen gar nicht erst das Wort ergreifen. Zwei Kreistagsabgeordnete der CDU ergreifen nun, laut AZ vom 26.11.02, das Wort zum Vorhaben Asylbewerberheim in Anklam: "Ausgerechnet an einer Hauptverkehrsstraße und ausgerechnet in unmittelbarer Nähe zur Südstadt als dem sozialen Brennpunkt Anklams", und außerdem sei ein Heim "völlig deplaziert", meinen die Parlamentarier, die "vorerst noch" namentlich ungenannt bleiben wollen. Es gibt Zeiten da kann man nur noch lachen - Demokraten trauen sich nicht offen zu ihrer Meinung zu stehen, aber vielleicht hindert das Landtagsmandat daran.

Geht es diesen Herren um das Schicksal der Asylsuchenden oder ist es schlichtweg die Phobie vor dem Unbekannten. Es geht Ihnen nicht um die Menschen, sondern nur darum ein "Problem", wenn es überhaupt eins ist, so weit wie möglich von einem selbst weg zuschieben. Nicht wahr Herr Hübner? Menschen behaupten immer das Ohr an der Masse zu haben und soziale Brennpunkte voraus sehen zu können. Man kann solche Brennpunkte auch schüren. In diesem Fall würde ich den Initiatoren, zu denen Herr Hübner wahrscheinlich auch zählt, raten sich bei der Unterschriftenaktion von der NPD oder der "Aktionsfront Pommern" unterstützen zu lassen. Dann schafft man auch mal schnell die 5 % für das Bürgerbegehren. Nur weiter so.

Ich frag mich, warum es in unserer Gesellschaft überhaupt noch Menschen gibt, die sich zivilgesellschaftlich engagieren. Es ist doch sinnlos - da kommen dann gewählte Volksvertreter wie Karl-Dieter Lehrkamp (CDU), im übrigen Bürgervorsteher der Stadtverordnetenversammlung der Hansestadt Anklam, und verkünden lautstark in der AZ vom 10.12.02 das der Kreis "Anklam mit Asylbewerbern zu überfrachten" versucht. Bravo Demokrat. Endlich mal einer der Klartext redet. Eine Wortwahl, die sicher nicht grundlos an faschistische Hetze gegen "Überfremdung" erinnert. Nur weiter so. Die CDU verspricht in 14 Tagen 10 000 Unterschriften gegen das Flüchtlingsheim zu sammeln. Das Versprechen würde die CDU wahrscheinlich auch in 3 oder 5 Tagen einlösen. Kein Wunder, sind hier doch viele latent rechts eingestellt und da hab ich das Ohr auch an der Masse: "Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg, wir werden überfremdet, die leben von unseren Steuergeldern und die klauen nur" hört man nicht nur im "Club" der Vertrauten, sondern wahrscheinlich auch hinter Fraktionstüren in Kreis und Stadt. Ein Zustand, der sich ändern sollte, sonst brennt das nächste Asylbewerberheim vielleicht in Anklam. Nette Lichterketten wird es dann geben, aber die Menschen, die Asyl und Schutz bei UNS suchten, sind möglicherweise schon tot.

Eins fehlt mir in dieser Debatte und zwar der Blick auf das Schicksal der Betroffenen. Ich lehne die zentrale Heimeinfärchung ab und wünsche mir für die Asylsuchenden eine menschenwürdige Unterbringung in dezentralen Unterkünften. Vorurteile können nur durch Integration abgebaut werden, nicht aber durch Hass und Schüren von Ängsten. Es handelt sich immer noch um Menschen. Arschlöcher gibt es überall, auch unter Deutschen, Türken, Indern und Moslems. Demokratie heißt unter anderem teilhabenlassen und nicht etwa ausgrenzen.

Der Aufstand der Anständigen - auch die CDU war dabei. Sie selbst sind keine Rassisten oder Faschisten. Aber gegen Ausländer oder gar Asylbewerber haben sie was. Oder? Was soll eigentlich ein Zaun mit Stacheldraht um eben solch ein Asylbewerberheim?