links-lang fetzt!

05.05.2002
Wem die Geschichte gehört... - Neonazis versuchen in Neustrelitz, Tag der Befreiung inhaltlich zu besetzen


Diese Info kam aus Neustrelitz an. Danke!

Progressiv wollen sie gerne sein, sachlich und fortschrittlich. Während einige Nazis den Dreh raus haben, ist die Lektion noch nicht bei allen Dumpfnasen der Neustrelitzer Ecke angekommen. 57 Jahre nach dem Ende der weltweiten Manifestation deutschen Vernichtungswillens wird dessen vorläufiges Ende in einem im gesamten Stadtgebiet von Neustrelitz verteilten Flugblatt mit "Das war keine Befreiung" geschmäht.

Dort wird ohne Angabe einer Quelle auszugsweise ein Text zitiert, der die Ereignisse in Neustrelitz während des Einzugs der Roten Armee schildert. Während dort Verbrechen geschildert werden, die tatsächlich stattgefunden haben, so ist das schlimme, daß sie aus den historischen Zusammenhängen gerissen und die deutschen Greuel, der von den Deutschen verursachte Weltkrieg und Massenmord mit 60 Millionen Toten, außen vor gelassen werden.

Der Text stammt von Roderich Hustaedt, Staatsrat von Mecklenburg-Strelitz von 1920 bis 1928 und Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, und wurde in seinen Aufzeichnungen "Sturmwind über Mecklenburg" veröffentlich. Diese hat Hans Terran in seinem Buch "Mecklenburg-Strelitz. Glanz und Elend im 20. Jahrhundert" vorgestellt; Terran wird von Historikern als Revisionist bezeichnet. Das zeigt sich auch in seinem Buch, das besonders die schreckliche Diktatur der DDR im 20. Jahrhundert darstellt.

Auf dem Flugblatt wird für weitere Informationen die Kontaktadresse eines M. Kutschke in Heringsdorf und ein Postfach in Neustrelitz angegeben. Ersterer, Michael Kutschke, ist ein Usedomer Fascho, der die politische und im Kameradschaftsspektrum verbreitete Neonazi-Postille "Der Fahnenträger" herausgibt. In einem Interview mit der Publikation des inzwischen verbotenen Hamburger Sturms vom Frühjahr 2000 gibt er antisemitische Sprüche von sich und bezeichnet sich selbst als Nationalsozialist, der "geschichtliches Grundwissen" vermitteln möchte, da angeblich in den "Systemmedien ein antideutscher Zeitgeist herrscht". Es sind bisher vier Ausgaben des Fahnenträgers erschienen.

Das Neustrelitzer Postfach ist die Kontaktadresse der Fascho-Postille "Der Weisse Wolf", die für ihre neonazistischen Inhalte bekannt ist. Die Homepage wird nicht umsonst im Ausland gehostet... Nähere Infos gibs beim Informationsdienst gegen Rechtsextremismus. Der Macher ist ein bekannter Neonazi aus der Neustrelitzer Region.

Neben den Flugblättern sind auch einige A3-Plakate in Neustrelitz aufgetaucht, die die Rote Armee verunglimpfen. Auch ihr Inhalt bedient sich des bekannten revisionistischen Mittels, historische Ereignisse aus dem Kontext herausgelöst zu betrachten.

In Neustrelitz wird das ganze Thema eher gelassen gesehen. Die örtliche Tageszeitung, der Nordkurier, hat schon über die rechtsextremen Hintergründe des Flugblatts berichtet und auch die Menschen der Region haben anderes zu tun, als sich überhaupt mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. So bleiben die Aktivitäten zum 8. Mai von rechtsextremer Seite Ausdruck einer aktionsorientierten Fascho-Szene, der es an Inhalten mangelt.