links-lang fetzt!

26.11.2002
Aufzählung, Aufklärung, Erklärung - Bericht zu 10 Jahren Rechtsextremismus in McPomm vom Verfassungsschutz erschienen


Ein sicherlich nicht unkritisch zu betrachtender Text.

Der Schutz der Verfassung muß ein schwieriger Job sein. Nicht nur wollen politische Gruppen ausgehorcht und Pamphlete und Berichte aus allen Enden der Republik zusammengesucht werden. Immer müssen Verfassungsschützer Menschen mit teilweise ausgedehntem Spagat in die Kategorie extremistisch einordnen, um ja der Totalitarismus-Theorie gerecht zu werden. Arme Beamte.

Und dann will auch noch die Öffentlichkeit erfahren, was man den lieben langen Tag so treibt. Vielleicht aber auch aus dem Bedürfnis, mal wieder von sich hören zu lassen, wo es doch mit Quartalsberichten, Kurzmeldungen oder auch Sprüchen in der Presse nicht so klappt, ist ein Bericht zu der "Entwicklung rechtsextremistischer Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 1992 - 2002" entstanden und vor wenigen Tagen erschienen.

Vielversprechende Anfänge - und mehr nicht

Er beginnt mit dem Versuch einer Begriffserklärung von Rechtsextremismus und geht über zu Erklärungsansätzen rechtsextremistischer Einstellungen. Diesem guten Start folgt ein Exkurs zum Rechtsextremismus in der DDR.

Es schließt sich eine Beschreibung der Nazi-Skinhead-Kultur und gesondert ihrer Musik an. Die AutorInnen versäumen es jedoch, umfassend auf die Rolle der rechten (Sub-) Kultur während der Sozialisation von Jugendlichen (speziell in Ostdeutschland) einzugehen, obwohl Verweise auf Forschungen etwa Klaus Farins oder Christian Pfeiffers vorliegen. Stattdessen verfällt man in die für den Verfassungsschutz typische Aufzählung rechter Umtriebe, die wie so oft konzeptlos ist und dem Anspruch 10 Jahre Rechtsextremismus in McPomm nicht gerecht wird.

Wird auf Neonazis im Bundesland noch genauer eingegangen, so sind die Abschnitte zu rechtsextremen Parteien der inhaltlichen Kürze wegen schlicht überflüssig. Entwicklungen der NPD werden zwar dargestellt. Aber es wird, und das ist das dem Bericht anzulastende Defizit, zu wenig über Herkunft, Verknüpfung, Zusammenarbeit, politische Zielrichtung und gesamtgesellschaftliche Wirkung rechtsextremer Gruppierungen von Skinheadcliquen über Kameradschaften hin zu Parteien aufgezeigt.

Bei rechtsextremen Medien werden die wichtigen Printmedien schlicht außen vor gelassen.

Totalitarismustheorie - das politische Dilemma der Verfassungsschützer

Die Schlußbetrachtungen der Verfassungsschützer zeigen die politische Dimension ihres Tuns auf. Sie gestehen ein, dass Rechtsextreme im Zusammenhang mit einem rassistischen gesellschaftlichen Diskurs an Fahrwasser gewinnen. Und sie streifen die Bedeutung von Jugendkultur für oder gegen die Ausbreitung rechter Ideologie. Zeigen doch Erfahrungen, dass dort, wo eine starke nicht-rechte Jugendkultur existiert, Faschos keine Chance haben, Jugendliche zu rekrutieren. Menschen als linksextrem einordnen zu müssen, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus engagieren und für ein offenes, vielfältiges Klima einsetzen - man kann es auch demokratisch nennen - ist das Dilemma der Verfassungsschützer.

Und das hat fatale Auswüchse: Nicht nur werden nicht-rechte Opfer faschistischer Gewalt etwa als linksextrem bezeichnet. Für die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen 1992 wird "Ausländern" und autonomen Antifaschisten wegen angeblicher "Provokationen" eine Mitschuld zusprochen. Wenn das kein Extremismus der Mitte ist.