links-lang fetzt!

21.03.2002
Braungebrannt auf Usedom - Flugblattaktion auf der Insel

Folgender Text kam an:

Bansin, 21.März 2002
Sehr geehrte Damen und Herren,

im folgenden wollen wir Ihnen den Text eines Flugblatts zu Kenntnis geben, von dem gestern u.a. in Bansin einige hundert Stück verteilt wurden.
Aus Anlass des Anschlages in Ahlbeck, der Nazi-Schmierereien und des geplanten Aufmarsches am kommenden Samstag in Neubrandenburg, wollen wir damit auf das Ausmaß rechter Aktivitäten auf Usedom hinweisen. Damit soll nicht der Eindruck erweckt werden, daß es sich um ein spezielles Inselproblem handelt. Aber auch wenn es in anderen Regionen ähnliche Aktivitäten gibt, macht es die Situation auf Usedom nicht weniger dramatisch und bietet keinen Anlass zur Relativierung.

Durch das Verteilen in die Briefkästen wollen wir erreichen, daß die InselbewohnerInnen den Rechtsextremismus in ihrer Region auch als persönliches Handlungsfeld sehen und sich nicht auf Polizei, Justiz, einen Streetworker oder gar Gegenaktivitäten in anderen Städten verlassen. Die enthaltenen Informationen können Sie in rechten Veröffentlichungen, Berichten des Innenministeriums und den Regionalzeitungen finden.

Mit freundlichen Grüßen
Antifas aus M/V


Braungebrannt auf Usedom?

Kurz bevor das Ostsee-Strandparadies wieder hunderttausende Sommergäste empfängt, werden Zeichen gesetzt. Ein Brandanschlag auf ein Denkmal in Ahlbeck, sowie neue SS Runen und Hakenkreuz-Schmierereien künden davon, dass sich seit dem Jahr 2000 hier scheinbar nichts geändert hat. Damals erfuhr die Kette von Gewalttaten auf Usedom ihren vorläufigen Höhepunkt, als einheimische Neonazis einen Obdachlosen totschlugen. Und: damals wurde auch der „Aufstand der Anständigen“ ausgerufen und dem Rechtsextremismus der Kampf angesagt.

Die rechte Szene, die sich auf ganz Usedom in Jugendclubs und Strandaufgängen trifft, scheint das nicht beeindruckt zu haben, schaut man sich ein paar der öffentlich gewordenen Aktivitäten 2001 an.

Im Januar marschieren die Usedomer „Freien Nationalisten“ gemeinsam mit der NPD in Greifswald auf. Die rassistische und antisemitische Zeitung „Der Fahnenträger“ aus Heringsdorf schreibt später von einer „gelungenen Demonstration“. Im Februar werden in Koserow von Rechtsextremisten Flugblätter verteilt, auf denen die Einführung der Todesstrafe gefordert wird. Am 20. April 2001 wird in Ahlbeck Adolf Hitlers Geburtstag gefeiert. Ebenfalls an diesem Tag wird unter einer Bansiner Nummer ein eigenes „Freies Infotelefon“ nur für „Pommern“ eingerichtet. In Verbindung mit einer norddeutschen neonazistischen Homepage im Internet, werden hier Aufmärsche angekündigt und rechte Propaganda verbreitet, um ein „nationales Zeichen... bis hinein in das Memelland“ zu setzen. Anfang Mai wird auch der Besuch des Bundespräsidenten von Neonazis genutzt, um sich öffentlich präsentieren zu können. Am 8. Mai 2001 heißt es dann auf Transparenten und Flugblättern, der Sieg über den Nationalsozialismus sei „Völkermord“ gewesen und es wird von der „Befreiungslüge“ gesprochen. Im Juni mit Aufklebern rassistische Hetze gegen angebliche „Massenzuwanderung“. Im August schon fast schon traditionell: Vergötterung des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess, u.a. auch in Usedom. Außerdem mehrere antisemitische Angriffe auf die Anne Frank-Ausstellung in Peenemünde. Im Oktober 2001 hat sich dann auch auf der Insel nach dem Greifswalder Vorbild eine rechte Schülerinitiative gegründet. Unterstützung wurde dafür vom zweiten Usedomer Nazi- Blatt dem „Inselboten“ offeriert. Im November 2001 findet nicht nur der übliche Aufmarsch mehrerer Neonazi-Kameradschaften auf dem Golm statt. Die „Stimmen aus Koserow“ errinnern zudem an den „Tatenruhm“ der Teilnehmer des Münchner Hitler-Putsches. Ebenfalls im November stören Rechte eine Geburtstagsfeier. Es kommt zu Auseinandersetzungen und Sachbeschädigungen.

Nationalbefreite Strände?

Auf der Insel scheint alles getan zu sein. Jedenfalls suchen sich die Neo – Nazis, organisiert im „Kameradschaftsbund Insel Usedom“, schon neue Betätigungsfelder. Ob beim Fotografieren von GegendemonstrantInnen im Januar in Wolgast oder im mecklenburgischen Neubrandenburg. Schon zum zweiten Mal wird dort eine rechte Demonstration vom Bansiner Enrico Hamisch angemeldet. Hier zeigt sich auch die Vernetzung der Inselnazis nicht nur mit anderen Kameradschaften aus M/V. Das Berliner Kameradschaftsmitglied Lutz Giessen und der bekannte Hamburger Nazi Christian Worch nehmen u.a. an der Veranstaltung im Juli 2001 teil.

Unabhängig von der Aufzählung rechter Aktionen bleibt der Ruf der Insel als ein no-go-area, als eine Angstzone. Dabei geht es nicht um irgendein Tourismus-Image. AusländerInnen, Obdachlose, alternative und linke Jugendliche und andere potientielle Opfer rechter Gewalt fürchten, im wahrsten Sinne des Wortes, um ihr Leben.

Das liegt sicher auch daran, daß Initiativen, die gegen Rassismus und Rechtsextremismus und für Vielfältigkeit auf Usedom eintreten, zumindest öffentlich kaum wahrnehmbar sind.

Rechtsextreme Einstellungen sind nicht auf eine (jugendliche) Randgruppe von Neonazis einschränkbar, sondern reichen in die Mitte der Gesellschaft. Das Problem muss da angegangen werden, wo es herkommt - in Usedomer Betrieben, Schulen, Elternhäusern, Jugendclubs, Büros, in den Gemeinden und in der Nachbarschaft.

Wer schweigt – stimmt zu! Gegen den rechten Konsens!
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Offensiv gegen den Kameradschaftsbund Usedom vorgehen!