links-lang fetzt!

06.09.2001
Angriff ist die beste Verteidigung - Polizei ermittelt kräftig wegen neubrandenburger Demo

Die Ereignisse um die Demonstration von neonazistischen Kameradschaften in Neubrandenburg am 14. Juli sind schon eine Weile her. Damals blockierten mehrere hundert Menschen friedlich die Straße, um die 150 Faschos nicht marschieren zu lassen, wurden jedoch von der Polizei mit Wasserwerfern weggespritzt und weggeprügelt. Die Gewalt richtete sich damals nicht gegen die bösen Linksradikalen, sondern Familien, Rentner, Politiker und andere "normale" Leute.

Nun ist die Sommerpause vorbei und es können wieder schöne Schlammschlachten geschlagen werden. Insgesamt 57 Anzeigen wegen der Ereignisse in Neubrandenburg werden von der neubrandenburger Staatsanwaltschaft geprüft. Davon richten sich 52 gegen Demonstranten wegen Landfriedensbruchs, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz oder gefährlicher Körperverletzung, vier gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt, eine gegen Unbekannt wegen Volksverhetzung, weil aus der Nazi-Demo gerufen worden sei, daß der Holocaust Lug und Trug sei. Die Staatsanwaltschaft will wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch auch gegen die PDS-Landtagsabgeordnete Caterina Muth ermitteln. Die Aufhebung der parlamentarischen Immunität habe sie gestern beantragt, berichten Nordkurier und Schweriner Volkszeitung. Eine Anzeige gegen einen weiteren Abgeordneten, der nicht genannt werden könne, werde geprüft.

Die PDS-Abgeordnete sieht die Vorwürfe, daß sie "die Tatsache, dass von Teilnehmern aus ihrem eigenen Umfeld Eier, Flaschen und Steine gegen Polizeibeamte geworfen wurden, ignoriert, sich selber verbal mit Polizeibeamten auseinandergesetzt und dadurch die Ausschreitungen gegenüber der Polizei mitgetragen" habe, gelassen. "Das ist eine dreiste Lüge und Unterstellung", erklärte die PDS-Politikerin. Sie habe als Ordnerin vielmehr versucht, durch Einreden auf die Demonstranten diese zum Verlassen der Straßenkreuzung zu motivieren. "Dass ich mich nun einer solch absurden Anzeige ausgesetzt sehe, halte ich für ein fatales Signal gegen die, die in Neubrandenburg und anderswo Courage gegen Rechts zeigen", wird sie im Nordkurier zitiert. Auch andere Teilnehmer der Demo bezeichneten die Anzeige als Unfug.

Zwischen all den Berichten über die bösen Bürger werden auch ein paar Worte über die schlichtende Staatsmacht verloren. Die Polizeitaktik und der Wasserwerfereinsatz werdne zwar als rechtlich korrekt dargestellt, doch auch polizeiintern als "völlig unangemessen" kritisiert. Der Einsatz habe "unnötig eskalierend gewirkt", heißt es von "erfahrenen Polizeitaktikern" im Nordkurier. "Da hat wohl jemand die Technik endlich mal einsetzen wollen."

Zeugen und Betroffenen der Blockade wird geraten, sich beim Zentrum für Demokratie und Toleranz in Neubrandenburg unter 0395/5708169 zu melden. Dort werden nicht nur Zeugenaussagen gesammelt, sondern kann auch Polizeiopfern weitergeholfen werden.